SV Hönnepel-Niedermörmter: Als der Acker noch bebte

In der Saison 2013/2014 wurde die SV Hönnepel-Niedermörmter sensationell Oberliga-Meister. Auf den Aufstieg in die Regionalliga verzichtete der Verein aber damals, was eine schmerzhafte Entscheidung war. Eine Rückschau.

Die sportliche Lage beim Landesligisten SV Hönnepel-Niedermörmter scheint derzeit aussichtslos zu sein. Das Team von Trainer Thomas Geist steht mit zwei Punkten aus 14 Spielen auf dem letzten Tabellenplatz, der Absturz in die Bezirksliga droht. Vom Glanz vergangener Tage ist nicht mehr viel übrig. Dabei ist der größte Triumph der Vereinsgeschichte gerade einmal zehn Jahre her: In der Saison 2013/2014 wurde die SV Hö.-Nie. Meister in der Oberliga Niederrhein.

Der Vater des Erfolgs war damals Trainer Georg „Schorsch“ Mewes, der 2010 verpflichtet wurde und mittlerweile Sportlicher Leiter beim Oberligisten 1. FC Kleve ist. Ein Ruhrpott-Kind beim Dorfverein. „Mit uns hat damals niemand gerechnet, wir wurden als die Bauern belächelt. Und Hönnepel-Niedermörmter konnte lange niemand aussprechen. Doch wir haben es ihnen gezeigt“, sagt Mewes heute. Dabei war der Start nach Platz 14 in der Vorsaison wenig vielversprechend. Im Juli 2013 spielte die SV Hö.-Nie. 1:1 gegen den FC Kray. „Wir waren in dem Jahr überhaupt nicht Favorit, nicht mal ein bisschen. Wir wollten eigentlich nur nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben“, sagt Mewes. Zumal mit dem Wuppertaler SV ein Absteiger nach der Insolvenz unbedingt den direkten Wiederaufstieg schaffen wollte. Doch die Schwarz-Gelben spielten sich in einen Rausch, die ersten zehn Spieltage blieb das Team ohne Niederlage, es sicherte sich die Herbstmeisterschaft.

Der Schlüsselmoment auf dem Weg zur Sensation war der 5:1-Sieg gegen den Wuppertaler SV im Februar 2014. „Vor über 3000 Zuschauern haben wir sie im eigenen Stadion weggehauen. Da haben wir die Tabellenführung übernommen, und sie nicht mehr hergegeben“, sagt Mewes. Die Kalkarer marschierten durch die fünfthöchste Spielklasse, auch den Zweitvertretungen von Rot-Weiß Oberhausen oder des MSV Duisburg ließ man keine Chance. Erster Verfolger war der FC Kray. Die Essener waren zuvor ebenfalls aus der Regionalliga abgestiegen.

Mewes setzte damals auf mutigen Offensivfußball. „Wir wollten immer Tore schießen, also haben wir nicht quer oder nach hinten gespielt, sondern nach vorne“, sagt der heute 74-Jährige. Dabei sei der Ballbesitzfußball von Star-Trainer Pep Guardiola im Trend gewesen. „Doch wenn du selbst Tore schießt und Spiele gewinnst, ist das nicht mehr wichtig. Dann spricht kein Mensch mehr über Taktik“, sagt Mewes. An die Leistungsgrenze gingen damals viele seiner Akteure, heute sagt Mewes: „Ich kann keinen einzelnen Spieler wegen seiner Leistungen herauspicken. Es war eine echte Mannschaftsleistung, die uns so erfolgreich gemacht hat.“

Wichtigster Akteur war aber wohl Angreifer Andre Trienenjost, der damals in 36 Partien 29 Mal traf. Auch Daniel Boldt (9 Tore) und Christian Mikolajczak (7) sorgten für mächtig Torgefahr. Wichtige Stützen des Teams waren zudem Heinrich Losing, heute Trainer des Oberligisten SV Sonsbeck. Marc Beckert (heute 1. FC Bocholt), Nedzad Dragovic (1. FC Kleve) oder Dennis Terwiel (Rhenania Bottrop) sorgten defensiv für Stabilität. Hunderte Zuschauer kamen damals zu den Heimspielen an die Düffelsmühle, der Verein prägte den Slogan „Der Acker bebt“. Der Verein war auf dem Weg, sportliches Aushängeschild für die Region zu werden.

Mit 74 Punkten sowie 75 Treffern bei 37 Gegentoren stand die SV Hö.-Nie. damals am Ende der Saison auf Tabellenplatz eins. Der FC Kray war punktgleich, die Essener aber hatten die schlechtere Tordifferenz. So hätte Georg Mewes mit seinen Schützlingen aufsteigen können. Doch daraus wurde nichts. „Wir sind damals nach dem letzten Spieltag nach Mallorca auf Mannschaftsfahrt geflogen. Und beim Grillen haben wir beschlossen: Wir wollen das machen, wir steigen in die Regionalliga auf“, erinnert sich der Erfolgstrainer. Das Budget konnte aber nicht erhöht werden. „Daher waren wir uns einig, dass das Geld zwar nicht erhöht wird, dafür aber die Siegprämien steigen“, sagt Mewes. „Das wäre für den Verein ein gutes Geschäft gewesen, denn so häufig hätten wir in der Regionalliga wahrscheinlich nicht gewonnen.“ An einem Samstag kehrte das Team aus Spanien zurück, am Sonntag teilte der Vorstand dann mit, dass man das Abenteuer Regionalliga ausschlagen möchte. Verstand siegte damals über Gefühl. Die organisatorischen und sportlichen Risiken seien für den Verein unkalkulierbar, Halbprofi- oder Profistrukturen unrealistisch, hieß es damals von der Klubspitze.

„Das war natürlich ein Schock für uns alle, auch für mich. Rückblickend kann ich die Entscheidung aber gut verstehen, das wäre wohl alles eine Nummer zu groß geworden“, sagt „Schorsch“ Mewes. Es fehlte an der Infrastruktur, nicht an Qualität im Kader, versichert er. „Es ist unglaublich, was wir da für eine geile Mannschaft zusammengestellt hatten, und das innerhalb von drei Jahren.“

Dennoch spricht Mewes heute davon, im Sommer 2014 einen Aufstieg geschafft zu haben. Insgesamt waren es acht in seiner Laufbahn. „Diese Saison nimmt uns niemand mehr. Und wir haben in der Fußballwelt sogar viele Sympathien erobert, weil wir nicht aufgestiegen sind“, erinnert sich Mewes. Und er sei bis heute stolz darauf, wie stark seine Kicker in der darauffolgenden Saison aufgetreten sind. „Wir wurden Vierter. Das hätte niemand für möglich gehalten, weil nach der Regionalliga-Absage klar war, dass es für uns eigentlich um nichts geht“, sagt der Kultcoach.

Ein weiterer Höhepunkt wartete übrigens in der Sommerpause nach der Meisterschaft. Die SV Hö.-Nie. wurde zu einem Testspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen den niederländischen Meister Ajax Amsterdam eingeladen. „Damals wurde ich kurz vor dem Testspiel angerufen, weil ich einen Kontaktmann in den Niederlanden hatte. Bei 40 Grad im Schatten mussten wir morgens um neun nach Utrecht“, sagt Mewes. Er habe zunächst einmal den Verantwortlichen des Eredivisie-Rekordmeisters erklären müssen, dass man nicht mit dem Bus anreisen könne. „Einen Bus hatten wir natürlich nicht. Ich habe denen erklärt, dass wir alle mit dem Auto kommen. Da haben die Holländer nur gelacht“, sagt Mewes.

Auch wenn sein Team damals nur in der ersten Halbzeit auf Augenhöhe agierte und letztlich mit 0:6 unterlag, waren die Kalkarer glücklich mit dem Testspiel. Mewes traf dabei auf seine Idole. „Frank de Boer war Trainer bei Ajax, Marc Overmars Technischer Direktor und mein Lieblingsspieler Dennis Bergkamp war Co-Trainer. Ich habe während des Spiels also nur Fotos gemacht“, sagt Mewes.

Es sei beeindruckend gewesen, wie gut sich der Champions-League-Klub vorbereitet hatte. „Frank de Boer sagte, dass man grundsätzlich keinen Gegner unterschätze. Daher hatten sie sich sehr gut über uns informiert, sie wussten alles über unsere Spielweise. Der Respekt, der uns entgegengebracht wurde, war schon beeindruckend“, sagt Mewes.

Übrigens: Viele Spieler, die vor zehn Jahren zur Meistermannschaft gehörten, pflegen noch heute einen engen und freundschaftlichen Kontakt untereinander, auch wenn sie längst anderswo unter Vertrag stehen oder ihre Laufbahn beendet haben. „Wir tauschen uns weiter aus. Wenn die Jungs raus gehen, rufen sie mich schon Mal spät abends an. Andre Trienenjost ist da der Anführer“, sagt Mewes über den 34 Jahre alten Stürmer, der beim SuS Haarzopf in Essen noch Kreisliga-Fußball spielt. „Obwohl das alles gestandene Männer sind, die teilweise mittlerweile selbst an der Seitenlinie stehen, nennen sie mich immer noch Trainer. Das zeigt: Wir waren damals schon ein außergewöhnlicher Haufen“, sagt Mewes.

Quelle: FuPa

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